Chronologie der Texte des Kulturkosmos-Plenums zum Krieg in Gaza und der Situation in Israel und Palästina
Chronologie der Texte des Kulturkosmos-Plenums zum Krieg in Gaza und der Situation in Israel und Palästina
Newsletter November 2023 Vier Wochen nach dem Überfall der Hamas auf Israel und dem darauffolgenden Beginn des Krieges in Gaza haben wir uns erstmalig in einem Newsletter dazu geäußert. mehr lesen…
Newsletter Februar 2024 zum Krieg in Gaza Der Newsletter vom Februar 2024 hatte ausschließlich den Krieg in Gaza zum Thema. mehr lesen…
20.5.2024 „Nachschlag“ zum Februar Newsletter Mitte Mai haben wir eine Ergänzung zum Newsletter geschrieben. Hierin haben wir unsere Aussagen aus dem Februar um einige Gedanken ergänzt und dabei umstrittene Begriffe verwendet. mehr lesen…
13.6.2024 Erklärung zum „Nachschlag“ unseres Februar-Newsletters
Wir möchten klarstellen, dass der Februar-Newsletter und der am 20. Mai 24 veröffentlichte „Nachschlag“ sowie auch diese Erklärung nur ein Meinungsbild des Kulturkosmos-Plenums wiedergeben.
Für den „Nachschlag“ haben wir viel Kritik und einen offenen Brief von Menschen aus unserem Netzwerk erhalten, in dem wir aufgefordert werden, den Text zurückzuziehen.
Der Text enthält mehrere streitbare Passagen und Begriffe, die einen Diskursraum bräuchten, den ein Statement nicht leisten kann. Dadurch haben wir kurz vor Festivalbeginn Unruhe verursacht, wofür wir uns entschuldigen möchten.
Wir haben beschlossen, den Text nicht von der Webseite zu nehmen. Er war immer als Ergänzung zum Februar-Newsletter gedacht und nicht als Widerspruch dazu.
Wir haben nicht das Existenzrecht Israels infrage gestellt, sondern Respekt für eine weitere Perspektive gefordert.
Die Begriffe „Völkermord“ und „Apartheid“, die wir verwendet haben, müssen unser Meinung nach offen diskutiert werden. Dies tun auch internationale Menschenrechtsorganisationen, Gerichte, die Vereinten Nationen und auch die israelische Linke und Friedensbewegung. Wir wissen und respektieren, dass es zu diesen Begriffen viele gegensätzliche Positionen gibt. Die Bandbreite an Meinungen dazu wird auch auf der Fusion in diesem Jahr divers sein. Klar ist: Niemand kann in diesem Kontext die eigene Position zum Maß dessen machen, was auf der Fusion gesagt werden darf und was nicht.
Auf der Fusion sind alle Menschen willkommen, die sich an unsere wenigen Spielregeln halten. Wir arbeiten daran, dass die Fusion ein diskriminierungsarmer Raum für alle ist - unabhängig von Herkunft, Geschlecht, Nationalität oder Religion.
Sollte es zu Konflikten kommen, sind wir darauf vorbereitet, professionell zu handeln. Unsere Security ist der Neutralität verpflichtet und bekommt klare Vorgaben, wie sie sich in Konfliktsituationen zu verhalten hat. Unsere Awareness-Struktur haben wir erweitert mit Menschen, die zum Thema Israel und Palästina einen entsprechenden Background haben.
Wir beobachten mit Sorge, dass es eine massive Zunahme israelbezogenen Antisemitismus und antisemitischer Angriffe in der Gesellschaft gibt. Wir sehen gleichzeitig, dass antimuslimischer, antipalästinensischer und antiarabischer Rassismus Realität und Bedrohung sind. Wir sehen, dass Queer*, Trans* und Homofeindlichkeiten weiter vorwärts marschieren und rechtsradikale Parteien in ganz Europa Siege feiern. Die Herausforderung der Zukunft wird sein, unsere Kräfte zu bündeln, um diesen Entwicklungen gemeinsam entgegen zu treten..
Meinungs- und Kunstfreiheit sind wichtige Grundrechte, die es zu verteidigen gilt. Sie sind die Basis von allem, was auf der Fusion möglich ist. Aber nur fast: Denn Menschenverachtung, Diskriminierung oder übergriffiges Verhalten zählen nicht zur Meinungs- oder Kunstfreiheit und werden nicht geduldet.
Es wird auf dem Festival Veranstaltungen zum Thema Israel & Palästina geben. Hier, wie in dem gesamten kontroversen und emotionalen Thema ist es unabdingbar, dass Differenzen ausgehalten und respektiert werden. Wir wünschen uns achtsame und fruchtbare Diskurse.
Die Idee der Fusion ist, einen Ort zu schaffen, an dem sich Menschen jenseits nationaler Grenzen respektvoll begegnen. Für solch einen Raum sind Empathie, Wertschätzung und Toleranz unerlässlich.
Nachschlag zum Februar-Newsletter
(Anmerkung vom 5. Juni 2024) Vorab dieses Zusatzes zu unserem Newsletter wollen wir klarstellen, dass sowohl der Newsletter als auch dieser Nachschlag in ihrer Kombination ein Meinungsbild der Kulturkosmos Crew abbilden, nicht aber die Meinung unseres Netzwerkes oder unserer Mitarbeitenden wiedergibt. Diese nicht getroffene Differenzierung war ein Fehler, wofür wir uns entschuldigen. Darüber hinaus gilt auch hier, wie bereits in unserem Februar-Newsletter erklärt: nicht alle hätten alles so geschrieben wie es jetzt hier steht, aber bei allem Respekt den wir gegenseitig für verschiedene Meinungen in unserer Gruppe haben, stehen wir dazu, diesen Text gemeinsam veröffentlicht zu haben.
Dieser aktuelle Text zu unserem Newsletter ist keine Antwort auf den Fusion Boykottaufruf und offenen Brief, der diese Woche von Palästina Spricht veröffentlicht wurde. Es ist vielmehr der aktuelle Stand unserer Diskussion und Reflektion der letzten Wochen zu den Reaktionen und Kritiken auf den Newsletter.
Mit diesem Statement möchten wir den Newsletter vom Februar 2024 um einige zusätzliche Gedanken ergänzen.
Wir stehen nach wie vor hinter den wesentlichen Inhalten des Februar-Newsletters und betonen die Bedeutung der darin formulierten Erwartungen an alle Fusionist:innen, damit wir Ende Juni gemeinsam, achtsam und respektvoll feiern können.
Inzwischen haben wir jedoch erkannt, dass wir noch stärker auf die Schaffung eines gemeinsamen, diskriminierungskritischen Raums achten müssen, in dem Jüd:innen, Muslim:innen, Palästinenser:innen und Israelis sich möglichst sicher und willkommen fühlen können. Hier wollen wir auch unsere Strukturen noch nachjustieren, sowohl im Sinne eine Sensibilisierung unserer Security als auch einer Erweiterung unserer Awarenessstruktur.
Neben viel Zuspruch aus unserem Umfeld, haben wir zu dem Newsletter vor allem von uns nahestehenden palästinensischen und solidarischen jüdischen und arabischen Fusionist:innen auch Unverständnis, Enttäuschung und Kritik erhalten. Viele von ihnen sehen sich durch den Newsletter ausgeschlossen oder nicht mehr willkommen. Das trifft uns sehr, da die Fusion seit Jahren von vielen Menschen in der palästinensischen Community als Homezone verstanden wurde, wo Menschen aus Israel/Palästina sich willkommen fühlen konnten. Hier war das Thema Palästina präsent, es wurde jahrelang z.B. im Arab* Underground verhandelt, wo auf Basis gemeinsamer Werte auch gemeinsam mit jüdischen Allies zusammengearbeitet wurde. Kunst und Kultur aus Israel und Palästina war in den vergangenen Jahren immer Teil unseres Programms.
Gerade jetzt, in einer Zeit da viele kulturelle Institutionen in Deutschland, angesichts der staatlichen Repression gegen israelkritische Positionen unter Antisemitismusverdacht gestellt werden und kritischen Stimmen aus Angst, keine Plattform mehr geben; wo der politische Mainstream vermeintlich im Namen des Schutzes jüdischen Lebens die Grenzen der Debatte diktiert, sehen wir es um so wichtiger auch weiterhin palästinensischen Stimmen Raum auf der Fusion zu geben.
Wir wollen nicht zulassen oder dazu beitragen, dass Antisemitismus und anti-muslimischer, anti-arabischer, anti-palästinensischer Rassismus auf Kosten dieser vulnerablen Communities gegeneinander ausgespielt werden.
Die verschiedenen Rückmeldungen zu unserem letzten Newsletter haben uns veranlasst, einige Punkte klarzustellen und zu ergänzen. Im Gespräch kamen neben verschiedenen Kritikpunkten immer wieder zwei Themen zur Sprache.
Zum einen wird uns vorgeworfen, dass wir nur zwei rote Linien gezogen haben. Einmal, dass nicht verhandelbare Existenzrecht Israels und einmal die Verherrlichung oder Unterstützung der Hamas.
Viele vermissten zu Recht eine dritte rote Linie, die den Krieg in Gaza als Völkermord und die israelische Besatzungspolitik als Apartheit benennt mit einer klaren Abgrenzung gegen all diejenigen, die dies unterstützen, negieren oder verharmlosen. Hier haben wir uns tatsächlich einseitig abgegrenzt.
Wir haben uns im Newsletter gescheut, die Begriffe „Völkermord“ und „Apartheid“ selbst zu verwenden, sehen aber inzwischen, dass wir hier bei aller Kritik, die wir artikuliert haben, falsche Rücksicht auf deutsche Befindlichkeiten genommen haben, die dem, was in Gaza und dem Westjordanland geschieht, nicht gerecht wird.
Wir sehen diese Zurückhaltung in der Benennung dessen was real passiert inzwischen als Fehler.
Ein weiterer zentraler Kritikpunkt war, dass das nicht verhandelbare Existenzrecht Israels, so undifferenziert und plakativ, wie es aus unserer Deutschen Perspektive geschrieben wurde, das Existenzrecht eines Palästinensischen Staates defacto ausschließt.
Die Realität sieht ja so aus, dass die israelische Politik offensiv einen jüdischen Nationalstaat „from the River to the sea“ proklamiert. Diese zionistische Großisrael-Politik muss bezogen auf Gaza und das Westjordanland defacto als Siedler-Kolonialismus benannt werden. Seit Jahrzehnten werden Palästinenser:innen systematisch brutal unterdrückt und wird jegliche Perspektive zur Schaffung eines souveränen palästinensischen Staates oder einer israelisch/palästinensischen Ein-Staat-Lösung, mit gleichen Rechten für Alle, sabotiert. Ohne Gleichheit und Gerechtigkeit für alle Menschen in der Region wird es aber keinen Frieden geben.
Von daher ist für viele palästinensische Fusionist:innen die Anerkennung dieses nationalistischen israelischen Staates problematisch und sie können dies, zumindest so, wie wir es gefordert haben, nicht teilen. Wir sollten dies respektieren, nicht nur angesichts des über 230 Tagen andauernden traumatischen Krieges und der wahnsinnigen Wut und Trauer, die sie empfinden.
Wir aber haben sie in unserem Newsletter auf die andere Seite unserer roten Linie gestellt. Dies war nicht unsere Absicht, aber um diesen Fehler zu erkennen, brauchte es erstmal einen Perspektivwechsel.
Es war uns wichtig, unsere Erkenntnis zum Thema öffentlich zu machen und wir hoffen, dass dies etwas hilft, die emotionalen Enttäuschungen, die entstanden sind, zu überwinden.
Wir wollen auch noch mal schreiben, dass wir uns angesichts des nicht absehbaren Endes des Krieges und des nicht endenden Leids und Traumas viele Gedanken machen, wie wir hier Ende Juni diese Fusion feiern wollen. Wir verstehen gut, dass es Menschen gibt, die jetzt nicht feiern können. Wir sehen zugleich auch, dass die Fusion ein Ort ist, an dem Menschen den Brainfuck dieser Welt für ein paar Tage in den Schrank stellen, sofern sie das wollen und können. Damit aber alle gemeinsam eine gute Zeit haben, müssen wir alle aware sein und uns gegenseitig respektieren.
Jeder Form von Diskriminierung muss auf der Fusion entgegengewirkt werden, aber dieses Jahr sind jüdische und arabische Menschen besonders vulnerabel und wenn wir für alle hier einen möglichst diskriminierungskritischen Raum schaffen wollen, müssen wir auch gemeinsam wachsam sein, gegenüber antisemitischen und antimuslimischen /antiarabischen/ antipalästinensischen Diskriminierungen. Wir werden daher unsere Security sensibilisieren und unsere Awarenessstruktur aufstocken und hier verstärkt Menschen mit jüdischen und arabisch/palästinensischen Identitäten und Backgrounds einbinden.
Eine weitere Selbstkritik geht dahin, dass wir die beispiellose Einschränkung der Protest-, Rede- und Meinungsfreiheit sowie die zunehmende Repression gegen israelkritische Positionen, Veranstaltungen und Demoteilnehmer:innen mit Erschrecken und Wut zur Kenntnis nehmen, uns selbst aber vorwerfen müssen, als kulturelle Institution zu wenig aktiv geworden zu sein gegen diese krasse Demontage demokratischer Grundrechte in Deutschland.
Wir fühlen uns daher grundsätzlich solidarisch mit denen, die in der Welt ihren Protest gegen den Krieg in Gaza und ihre Solidarität mit dem palästinensischen Volk auf die Straße bringen und dies auch auf der Fusion zum Ausdruck bringen wollen, selbst wenn wir nicht immer dieselben Positionen haben.
Wir wollen zugleich aber nicht die Abladestelle sein für den in den vergangenen Wochen und Monaten erlebten Frust und die aufgestaute Wut.
Niemand braucht eine weitere politische Kampfzone auf der Fusion, in der Menschen sich oder ihre Meinungen gegenseitig delegitimieren.
Lasst uns das Festival nutzen, um Energie zu tanken und Kräfte zu sammeln für die Kämpfe, die uns noch bevorstehen werden. Lasst uns zusammenkommen und gemeinsam feiern, anstatt uns weiter voneinander zu entfernen.
Es wird eine Zeit nach diesem Krieg geben und die Welt wird keine bessere sein. Es stellt sich die Frage, ob oder wie Menschen wieder zusammenfinden und Gräben überwinden können, denn die Kämpfe gegen Ungerechtigkeit und für ein bessere Leben werden weiter gehen!
Die Fusion könnte eine Gelegenheit sein, genau darüber nachzudenken.
Kulturkosmos
Newsletter Februar 2024
Liebe Fusionist:innen,
in diesem Newsletter geht es nur um ein einziges Thema. Es geht um den Krieg in Gaza und den israelisch/palästinensischen Konflikt.
Bei allem, was gerade in Gaza passiert und dem, wie sich die Polit- und Kulturszene darüber spaltet und auch Freundeskreise sich überwerfen, kommen wir nicht umhin, jetzt öffentlich zu machen, wo wir diesbezüglich stehen und welche Grundsätze für uns für ein gemeinsames Festival unerlässlich sind.
Seit unserem Newsletter von Anfang November sind fast vier Monate vergangen. Vier Monate, in denen unsere darin geäußerten Ängste und Befürchtungen für die Menschen in Gaza und dem Westjordanland in Fassungslosigkeit, Wut und Trauer umgeschlagen sind, angesichts des unermesslichen Leids, welches die Palästinenser:innen ertragen mussten und weiter erleiden müssen.
Das Massaker der Hamas am 7.Oktober mit über 1100 Todesopfern und über 230 entführten Menschen und der darauffolgende brutale Krieg gegen die Hamas, der mittlerweile 30 000 Menschen, darunter mindestens die Hälfte Kinder und Jugendliche, das Leben gekostet hat, ist die vorläufige Bilanz des Schreckens.
Der „Krieg gegen die Hamas“ ist längst zu einem Krieg gegen die palästinensische Zivilbevölkerung geworden. Hunderttausende Menschen hungern, Krankheiten breiten sich aus und laut UN droht ein Massensterben. Mehr als 70% der Häuser im Gaza Streifen sind zerstört oder beschädigt und das Bildungs- und Gesundheitssystem sind nahezu komplett zerstört.
Die israelische Armee plant nun eine Bodenoffensive in Rafah, wohin sie in den letzten Wochen 1,3 Millionen Menschen vertrieben haben. In dieser sog. „Sicherheitszone“ werden die Geflüchteten jetzt bombardiert und sollen wieder vertrieben werden, damit auch Rafah, die letzte noch nicht komplett zerstörte Stadt in Gaza dem Erdboden gleichgemacht werden kann. Für die, im Gazastreifen gefangenen Menschen, gibt es keinerlei Hoffnung und kein Entkommen aus dieser humanitären Katastrophe.
Unterdessen bleibt das Schicksal der meisten von der Hamas verschleppten Geiseln ungewiss. Ihre militärische Befreiung durch den, von Netanjahu propagierten „Krieg bis zum totalen Sieg“ entpuppt sich, wie auch die Vorstellung, die Hamas militärisch zerschlagen zu können, zunehmend als Illusion.
Weltweit gehen Menschen gegen den Krieg in Gaza auf die Straße, große Teile der Weltgemeinschaft insbesondere des Globalen Südens drängen zunehmend auf ein Ende dieses Krieges, zumindest auf einen sofortigen Waffenstillstand und warnen Israel vor einer weiteren völkerrechtswidrigen Eskalation und Verschärfung der Situation. Die Israelische Regierung lässt das gänzlich unbeeindruckt und die immer noch traumatisierte Gesellschaft in Israel steht mehrheitlich hinter dem Krieg und befindet sich in einem nie dagewesenen nationalistischen Taumel, der von Regierung und Medien massiv gepuscht wird.
In Deutschland hingegen eskaliert in der Kulturszene seit Monaten die Auseinandersetzung um diesen Krieg und um die Solidarität mit Israel vs. der Solidarität mit Palästina.
Wir verfolgen diese Auseinandersetzungen sehr genau und so aufgeladen das Thema auch ist, wollen wir uns positionieren, soweit wir dies als Gruppenkonsens können.
Diesen Newsletter gemeinsam zu schreiben, ist uns so schwergefallen, wie keiner zuvor. Am Ende ist ein Kompromiss herausgekommen, in dem alle etwas zurückgesteckt haben und niemand ganz „glücklich“ geworden ist. Nicht alle hätten alles so geschrieben wie es jetzt hier steht, aber bei allem Respekt den wir gegenseitig für verschiedenen Meinungen in unserer Gruppe haben, sind wir uns einig darin, dass es jetzt wichtig ist, als Kulturkosmos Position zu beziehen und den Mund aufzumachen.
Wir wissen, dass wir immer eine andere Perspektive und Emotionslage haben werden, als Menschen aus dem arabischen Raum und Menschen, deren Freunde, Familien und Angehörige jetzt dort hungern, leiden, verletzt oder getötet wurden.
Wir versuchen trotzdem, uns mit allen Betroffenen und Opfern auf beiden Seiten dieses Konfliktes emphatisch verbunden zu fühlen.
Was uns aber immer wieder schockiert, ist die Doppelmoral und die empathielose Gleichgültigkeit, mit der Viele, angesichts des unbeschreiblichen Leids der palästinensischen Zivilbevölkerung wegschauen und schweigen oder gar rassistisch die Werthaftigkeit von Menschen an ihrer Herkunft oder Religion messen.
Die universellen Menschenrechte sind unteilbar und sollten für alle Menschen gelten – Palästinenser:innen bilden hier keine Ausnahme. Momentan sind wir von diesem Zustand aber weit entfernt.
Wir schreiben diesen Text nicht nur, weil wir emphatisch mitfühlen und nicht wegsehen können und wollen, wenn wir Nachrichten aus Israel und Palästina hören. Wir tun es auch, um bereits jetzt zu versuchen, Fragen, die uns von Künstler:innen sowie auch Gästen gestellt werden, zu beantworten und weil wir vermeiden wollen, dass dieser Konflikt eskalativ auf der Fusion ausgetragen wird.
Die Fusion ist ein linksalternatives Festival, das unter anderem von verschiedenen politisches Gruppen getragen wird und uns ist klar, dass dieser Krieg und das Thema Israel/Palästina sowohl in unseren Crews als auch bei unseren Besucher:innen extrem kontrovers und zum Teil sehr emotional diskutiert werden.
Wir haben dem Thema Nahostkonflikt / Palästina in der Vergangenheit oft viel Raum auf der Fusion eingeräumt und haben uns nicht gescheut, den Diskursrahmen offen zu halten, auch für Positionen, die wir selber nicht teilten und für die wir von anderen angegriffen wurden. Aktuell sind die Fronten aber unversöhnlicher denn je und da kein Ende des Krieges in Sicht ist, gehen wir davon aus, dass dies auch zu einem brennenden Thema auf der kommenden Fusion werden wird.
Wir arbeiten seit vielen Jahren mit Palästinenser:innen, Jüd:innen, mit arabischen Künstler:innen, mit Künstler:innen aus Israel – und da sind die Sensibilitäten von unterschiedlichen Lebens- und Erfahrungshintergründen geprägt und es gibt von der überwiegenden Mehrheit der Akteurinnen und Akteuren aus Ländern des Globalen Südens multiperspektivische Kritik an Israels Politik.
In Deutschland hingegen überschlagen sich seit dem 7. Oktober die Ampelparteien und die CDU in ihrem Solidaritätsgelöbnis zu Israel. Mittels eines omnipräsenten Antisemitismus-Vorwurfs wurde die öffentliche Kritik an der Politik Israels und dem Krieg gegen die Palästinenser:innen viel zu lange zurückgehalten, notwendige Konsequenzen werden nach wie vor nicht ergriffen. Es gilt „deutsche Staatsräson“ über alles.
Angesichts der der Shoah trägt Deutschland eine kollektive Verantwortung, die aus unserer Sicht auch weiterhin besteht. Der Kampf gegen Antisemitismus ist eine nicht endende Aufgabe und fordert immer wieder kritische Reflektionen, so auch aktuell. Eine bedingungslose Solidarität mit der Politik Israels hilft aber nicht den Israelis, sondern nur ihrer korrupten und offen rechtsradikalen Regierung. Damit dient die deutsche Politik letztendlich vor allem Netanjahu, der diesen Krieg in der Hoffnung, sein politisches Überleben zu sichern, weiterführt und dafür skrupellos über Leichen geht.
Während in Den Haag der internationale Gerichtshof auf Antrag Südafrikas prüft, ob Israel im Gazastreifen Völkermord begeht, kann in Deutschland bereits die öffentliche Äußerung von Kritik an Israels Politik oder die Unterschrift bei der „falschen“ Organisation zum Verlust des Jobs in Kultur-, Bildungs- oder Forschungseinrichtungen oder zur Streichung von öffentlichen Mitteln in jeglicher öffentlich geförderten Einrichtung führen.
In Berlin wehrt sich die Kulturlandschaft lautstark und erfolgreich, sodass der Kultursenator seine Antidiskriminierungs-, genauer gesagt Antisemitismusklausel, deren Unterschrift für alle Kulturschaffenden, die Fördergelder beantragen wollten, zur Voraussetzung werden sollte, wieder zurückziehen musste. Die Kritik an der Klausel lautet, dass diese in der aktuellen Festsetzung juristisch nicht haltbar sei und auch als Zensurinstrument für Kritik an der Politik Israels nutzbar gewesen wäre.
Wir als Kulturkosmos haben das Glück, was Unabhängigkeit angeht in verschiedener Hinsicht privilegiert zu sein. Zum einen, da wir abgesehen von Coronahilfen, finanziell schon immer vollkommen unabhängig waren und staatlichen Förderungen weder beantragt noch bekommen haben. Wir brauchen also keine finanziellen Restriktionen fürchten, für etwas, was wir sagen, schreiben, machen oder nicht machen. Andererseits brauchen wir auch keinen Boykottaufruf von Artists oder Besucher:innen fürchten. Wer bei uns nicht spielen will, spielt leider nicht und wer nicht kommen will, geht auf ein anderes Festival. Die Entscheidung gegen einen Auftritt oder einen Ticketkauf bei der Fusion respektieren wir vollkommen.
Was uns an Boykottaufrufen schon immer gestört hat, ist, dass ein Boykott, ähnlich wie wirtschaftliche Sanktionen, oftmals nicht viel mehr als ein propagandistisches Mittel ist, welches zumeist keine oder nur eine sehr geringe Wirkungskraft entfalten kann. Wir verstehen, dass es vielen Internationalen Kulturschaffenden ein Bedürfnis ist, sich gegen die politische Zensur in Deutschland zur Wehr zu setzen. Diesen Kampf und das Einstehen für die Kunst-, und Meinungsfreiheit wissen wir zu schätzen.
Bei Boykottaufrufen im kulturellen Kontext stellt sich uns aber die Frage, was denn gewonnen wird, wenn Kunst und Kultur - die ja unzählige Möglichkeiten haben, gesellschaftliche und politische Missstände und Kontroversen sicht-, hör-, und erlebbar zu machen - sich einfach verweigern. Kunst- und Kulturschaffende sind unschätzbare Akteur:innen, die Brücken schlagen, um Menschen und Kulturen zu verbinden.
Wenn nun statt kultureller Rebellion Schweigen herrscht, Separation statt Interaktion, nationale Einfalt statt kultureller Vielfalt - wer hat dadurch was gewonnen?
Die Entscheidung, als Künstler:in nicht in Katar, Russland, Israel, Deutschland oder sonstwo künstlerisch arbeiten oder auftreten zu wollen, kann nur eine absolut persönliche sein. Wir sollten jegliche Entscheidung, aus persönlichen, moralischen oder politischen Gründen in einem Land nicht auftreten zu wollen, respektieren. Dies jedoch kollektiv zu fordern und über moralischen Druck zu empowern empfinden wir als übergriffig. Angesichts der oftmals prekären Lebensverhältnisse ist es auch kontraproduktiv all den Artists gegenüber, die auf jede Gage angewiesen sind, um als Künstler:in überleben zu können.
Da wir aber davon ausgehen, dass Viele trotz Kritik und Widersprüchen kommen werden und die meisten Menschen, die wir einladen, auch partizipieren wollen, müssen wir im Vorfeld klären, was unsere Position ist und welchen Spirit wir uns für die kommende Fusion wünschen.
Wir erwarten von allen Fusionist:innen, Artists und Crews, dass sie die Grundprinzipien des Fusion Festivals respektieren!
Fusion bedeutet, dass verschiedenste Menschen mit unterschiedlichen Meinungen zusammenkommen und willkommen sind.
Auch bei kontroversen Themen geht es darum, in gegenseitigem Respekt Differenzen entweder temporär zu überwinden oder die Meinung anderer auch einfach mal stehen zu lassen und auszuhalten.
Es wird auf dieser Fusion mehr als jemals zuvor Menschen mit krass verschiedenen Positionen geben. Dies zu akzeptieren ist die Voraussetzung, dass wir nebeneinander und miteinander feiern und tanzen können.
Wir wollen, dass die Fusion ein geschützter Raum ist, gleichermaßen für Jüd:innenn und Muslim:innen, Palästinenser:innen und Israelis, in dem es keinen Platz für Antisemitismus, antimuslimischen sowie andere Formen von Rassismus gibt.
Wir wissen, dass die Mehrheit der internationalen Künstler:innen, die auf der kommenden Fusion spielen werden, genau wie wir, ein klares Solidaritätsverhältnis zum Kampf der Palästinenser:innen für ihre Freiheit haben und klar gegen den Krieg Israels in Gaza stehen.
Wir erwarten aber, bei aller Solidarität für die palästinensische Sache, dass das Existenzrecht Israels unstreitbar ist. Dies ist für uns keine deutsche Besonderheit angesichts unserer Geschichte, sondern eine universelle und unverhandelbare Position. Wer das Existenzrecht Israels leugnet, hat bei uns auf der Fusion nix verloren und sollte besser gar nicht erst kommen.
Die Frage, wann und durch was das Existenzrecht Israels geleugnet wird, ist jedoch nicht immer klar zu beantworten und über diese Definition wird zur Zeit viel gestritten.
Die Parole „From the river to the sea…“ ist für viele von uns äußerst streitbar. Für manche Menschen ist sie per se antisemitisch.
Für andere wiederum fällt diese Parole aber nicht explizit in die Kategorie Antisemitismus. Zur Klärung verschiedener Positionen verweisen wir hier auf zwei übersetzte Texte von israelischen und internationalen Wissenschaftler:innen:
From the River to the Sea gibt’s viel Raum für Interpretationen.
Jerusalemer Erklärung zum Antisemitismus
Aufgrund des Konfliktpotentials, welches die Parole angesichts ihrer ambivalenten Verwendungsmöglichkeit mit sich bringt, wünschen wir uns, dass sie auf der Fusion 2024 nicht plakativ vertreten wird.
Wir kritisieren Israels Politik hart und fordern dies auch klar von ihren deutschen Allies und der internationalen Gemeinschaft.
Siedler-Kolonialismus, Apartheit oder Genozid sind Vorwürfe an Israel, die international immer lauter werden und denen sich die israelische Gesellschaft stellen werden muss.
Der Meinungskorridor auf der Fusion wird breit und vielstimmig sein und genauso wie wir unsere eigene Position nicht zum Maß dessen machen, was auf der Fusion gesagt werden darf, wünschen wir uns dies von allen Fusionist:innen. Für alle gilt: die Kunst- und Meinungsfreiheit sind ein hohes Gut und unsere wenigen roten Linien haben wir in diesem Newsletter aufgeführt.
Hamas-Verherrlichung = No Go
Wir werden, soweit dies leistbar ist, im Vorfeld eines Bookings schauen, was die Artists, die wir buchen wollen, zu dieser Thematik öffentlich kommunizieren.
Wir werden keine Zensur betreiben. Trotzdem gibt es auch eine Unerträglichkeitsgrenze für uns, die dann erreicht wird, wenn die Hamas als Befreiungsorganisation gefeiert wird, ihre Massaker und Gräueltaten gerechtfertigt oder geleugnet werden oder gar offen zu einer Unterstützung der Hamas aufgerufen wird.
Hierzu müssen wir klar sagen, dass die Hamas mit ihrer klerikal-faschistischen politischen Agenda ein erklärter Feind der freiheitlichen, diversen und offenen Gesellschaft ist, für die wir kämpfen und wie wir sie feiern. Sie ist ein Feind von fast allen Werten, für die die Fusion steht. Sie sind ein korruptes radikal islamistisches Regime, welches im Namen der Religion mordet, die Palästinenser:innen in Gaza seit 16 Jahren gewaltsam regiert und ausbeutet und ohne jeglichen Skrupel verheizt. Sie will erklärtermaßen Israel vernichten. Sie hat ganz gezielt das Supernova Festival angegriffen und mehr als 260 Feiernde brutal ermordet und viele grausam entführt. Wer die Hamas trotz dieses Wissens feiert, feiert nicht mit uns!
Wer die Fusion als politische Kampfzone versteht und sie unter Missachtung unserer wenigen No-Gos für destruktiven, politischen Aktionismus nutzen will, ist nicht willkommen! Wir verwehren uns einer Funktionalisierung des Fusion Festivals zu einem Ort, an dem dogmatische Positionen konfrontativ ausgetragen werden.
Wir wünschen uns vielmehr ein solidarisches Miteinander für das kommende Festival!
Am Ende dieses Newsletters wollen wir noch mal unseren Wunsch bekräftigen, auf eine möglichst konstruktive, respektvolle und sachliche Auseinandersetzung zu diesem Newsletter. Wir als Kuko können und werden uns an darauffolgende Diskussionen nur bedingt beteiligen, da wir uns in den kommenden Wochen voll auf die Vorbereitungen des kommenden Festivals konzentrieren müssen.
Zum Schluss wollen wir nicht nur unsere Forderungen bekräftigen, sondern zuerst einen der seltenen Lichtblicke dieser Tage vorstellen:
Eine israelisch/palästinensischen Bewegung, die trotz der dystopischen Lage nach Lösungen jenseits von Gewalt und Krieg suchen und vielleicht die Hoffnungsträger der Zukunft sind: standing-together.org
Wir fordern einen sofortigen Waffenstillstand von allen Beteiligten
Wir fordern an alle Staaten, die Lieferung von Waffen zu stoppen, die zur Begehung von Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht und die Menschenrechte verwendet werden können.
Insbesondere fordern wir den Stopp von Lieferungen deutscher Waffen und Munition an Israel.
Wir fordern die Freilassung aller von der Hamas in Gaza gefangenen Geiseln.
Wir fordern die sofortige massive Aufstockung humanitärer Hilfen und ein Ende israelischer Behinderung der Hilfslieferungen.
Kulturkosmos, den 29. Februar 2024
Ein Auszug aus dem November-Newsletter
…Der Anfang dieses Newsletters war schon geschrieben, als am Morgen des 7.Oktober die verstörenden und zuerst schier unglaublichen Nachrichten der Angriffe der Hamas auf Israel bekannt wurden. Was dann im Laufe dieses Wochenendes und den darauffolgenden Tagen an Horrorbildern und Informationen durch die Medien lief, schien unfassbar. Ein weiterschreiben dieses Newsletters war vorerst unmöglich und wir tun uns bis heute schwer, hierzu passende Worte zu finden.
Als am Samstag, noch bevor die wirkliche Dimension dieses barbarischen Angriffs absehbar war, und als wären die Nachrichten über das brutale und wahllose massakrieren von Zivilisten nicht schockierend genug, die Nachricht und später die Bilder des Angriffes auf das Supernova-Festival auftauchten, hat uns dies absolut sprachlos und in Tränen zurückgelassen.
Es sind an diesem einen Tag in Israel, dem Land, das als sichere Heimstätte für Juden aus der Geschichte der Shoah entstanden ist, über 1400 Menschen, die allermeisten Israelis und Juden, durch die Mordbrigaden der Hamas getötet worden.
Wir sind immer noch fassungslos und entsetzt, über diesen sinnlosen durch nichts zu rechtfertigenden terroristischen Angriff der Hamas auf Israel.
Uns bleibt nur eine stille und tiefe Trauer um alle, die an diesem Tag feige ermordet wurden. Unser Mitgefühl gilt allen, die dabei einen Menschen aus ihrem Freundes-, Familien- oder Bekanntenkreis verloren haben, sowie all denen, die körperlich verletzt oder seelisch schwer traumatisiert diesen Tag überlebt haben.
Wenn wir an die über 200 Menschen denken, die als Geiseln von der Hamas nach Gaza verschleppt wurden, dann packt uns neben dem tiefen Mitgefühl auch eine große Wut über diese Menschenverachtung und eine große Angst, wie es für die Geiseln weiter geht.
Unsere Solidarität mit Israel ist zweifellos!
Angesichts von 57 Jahren israelischer Besatzungsmacht, Netanjahus skrupelloser, zum Teil offen rechtsradikaler Regierung und der dadurch befeuerten antipalästinensischen Gewalt von radikalen Siedlern, können und wollen wir unsere Kritik an dieser israelischen Regierung nicht verschweigen.
Unsere Solidarität gehört daher insbesondere auch den Kämpfen der israelischen Zivilgesellschaft gegen Netanjahus geplante Justizreform und um den Erhalt der Demokratie in Israel.
Auch unsere Angst und Sorge um die Menschen in Gaza wollen wir hier nicht verschweigen und unsere Solidarität mit dem leidenden palästinensischen Volk sehen wir gleichfalls als geboten, wichtig und legitim. Unsere Empathie für unschuldige Opfer von Gewalt und Krieg ist unteilbar.
Die Vertreibung über einer Million Palästinenser:innen, die Kollektivbestrafung durch die totale Zerstörung von weiten Teilen des Gazastreifens, die den Tod von Unschuldigen, darunter tausende Kinder in Kauf nimmt, verurteilen wir klar und deutlich. Wir unterstützen daher die Forderung nach einer sofortigen humanitären Waffenruhe zum Schutz der Zivilbevölkerung.
Die Hamas soll zu Hölle fahren, aber die Freilassung der Geiseln aus ihren Händen, muss im Zentrum aller diplomatischen Bemühungen stehen.
Wir können in diesem Newsletter nicht mehr zu diesem Thema schreiben, denn wir stoßen auch in unserem Denken und dem was wir sagen müssten an die Grenzen des Diskussionsrahmens, der in der jetzigen Situation eingeschränkter denn je ist. Es steht uns vielleicht auch nicht an, hier und jetzt aus unserer privilegierten und wohlsituierten Komfortzone heraus, über den Krieg zwischen Israel und der Hamas zu politisieren. Allein schon die hier veröffentlichte Position wurde von uns kontrovers empfunden und diskutiert.